Page 15 - Bildungslandschaften mit talentCAMPus entwickeln
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●  Wie bist du zum talentCAMPus gekommen?
Das erste Mal war ich im Jahr 2016 dabei, damals war ich 12 und lebte erst seit einigen Monaten in Deutschland. Ich war 2015 mit meiner Familie aus Syrien nach Deutschland gekom- men. Wir sind Kurden und lebten die ersten Monate in einer Gemeinschaftsunterkunft in Bad Königshofen. Ich konnte noch nicht viel Deutsch und kannte fast niemanden außer meiner Fa- milie, ich hatte noch keine Freunde. Meine Mutter wurde von ihrer Deutschkurs-Dozentin auf das talentCAMPus-Ferienpro- gramm aufmerksam gemacht und eingeladen, mit meinem Bru- der und mir vorbeizukommen. Es hat mir Spaß gemacht, also bin ich dageblieben und immer wieder gekommen. Ich habe dann auch an vielen anderen Angeboten der Volkshochschule teilgenommen.
●  Was hat das Ferienprogramm für dich bedeutet? 
Ich habe mich beim talentCAMPus immer willkommen gefühlt. Das Ferienprogramm war eine große Hilfe für mich beim An- kommen in Deutschland und hat mich in meiner Persönlich- keitsentwicklung sehr beeinflusst. Ich war früher sehr schüch- tern, habe eher zugeguckt und nicht viel gesagt. Aber dann wollte ich mitmachen und musste ja auch sprechen, zum Bei- spiel bei den Theaterprojekten. Ich wurde offener, habe mehr geredet, mein Deutsch wurde auch besser. Ich bin mehr aus mir herausgekommen und selbstbewusster geworden. Ich habe durch den talentCAMPus außerdem viele Freunde gefunden.
talentCAMPus ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens, seit Jahren bin ich in allen Ferien dabei. Wenn ich mal umziehen sollte, wird mir das schon schwerfallen. Vielleicht komme ich dann für talentCAMPus in den Ferien zurück.
●  An welchen talentCAMPus-Angeboten hast du im Jahr 2019 teilgenommen?
Das Projekt hieß „zusammenleben. zusammenhalten“. Ich habe zum Beispiel bei den Workshops „Die Kunst des Kochens – regional, schnell und zum Mitnehmen“ und „Gemeinsam kreativ für Umwelt und Gesellschaft“ teilgenommen. Eine Freundin und ich haben gemeinsam ein eigenständiges Projekt zum Thema Umwelt und ökologischer Fußabdruck gemacht. Wir haben re- cherchiert und eine Präsentation für die Lange Nacht der Volks- hochschule vorbereitet. Dort haben wir sie dem Publikum vor- gestellt und viel positives Feedback bekommen, zum Beispiel von Renate Knaut von der vhs, von meinen Eltern, aber auch von meiner Lehrerin. Sie haben mich bestärkt, damit weiterzu- machen.
●  Wie wurdest du dann Ehrenamtlicher und Peer-Teamer beim  talentCAMPus?
Das fing auch 2019 an. Inzwischen war ich schon 15 Jahre alt  und immer der älteste Teilnehmer beim talentCAMPus. Ich habe mich in der Gruppe etwas alleine gefühlt und bin auch nicht
mehr so regelmäßig hingegangen. Ich wollte gern noch dabei- bleiben, aber vielleicht in einer anderen Rolle. Renate Knaut von der vhs meinte, vielleicht wäre die Mitarbeit als Ehrenamt- licher etwas für mich. Und dann habe ich das mehrere Jahre lang sehr gerne gemacht. Ich konnte gut auf die Kinder zuge- hen und ihnen helfen, weil ich mich genau in ihre Situation hineinversetzen konnte.
Es gab dann 2021 die Möglichkeit, bei der Online-Qualifizierung  „Peer PREP digital“ des DVV teilzunehmen. Das fand ich gut, weil ich mich weiterentwickeln und mehr Verantwortung über- nehmen wollte. Bei den Web-Seminaren, die sich speziell an
jugendliche Ehrenamtliche richteten, habe ich viele neue Sa- chen gelernt.
●  Inzwischen bist du sogar Dozent und leitest eigene talent- CAMPus-Angebote!
Ja, eigentlich dachte ich schon vor der Peer-Teamer-Qualifizie- rung, dass ich gern auch als Dozent meine eigenen Ideen mit den Kindern umsetzen würde. Ich war mir sicher, dass mir das Spaß machen würde, weil ich schon seit Jahren dabei bin und weiß, wie es läuft. Ich weiß, was Kinder gerne machen und worauf ich achten muss. Mein erster talentCAMPus im Frühjahr 2022 hieß dann „Eine Reise nach Kurdistan“. Eine Dozentin, die mich schon lange kennt, hat den Workshop mit mir zusammen geleitet. Es war eine sehr interessante Erfahrung, auf der ande- ren Seite zu stehen. Es hat sich schon gut angefühlt, und ich mache weiter. In den Sommerferien biete ich einen talentCAM- Pus-Workshop an, der Anti-Rassismus mit Breakdance verbin- det. In einem anderen geht es um Nachhaltigkeit und Ernährung.
●  Was wünschst du deinen Teilnehmer*innen?
Ich wünsche mir, dass die Kinder nach einem talentCAMPus- Tag nach Hause gehen und sagen „Heute war ein schöner Tag – und ich will weitermachen!“. Ich wünsche ihnen, dass sie sich
persönlich weiterentwickeln, offener werden und dass sie inte- ressante Themen für sich entdecken – so wie ich damals.
2019 – Gespräch mit Hoshiyar Mohamad, vhs Rhön und Grabfeld
Bild links: Hoshiyar im Juli 2022, © Thomas Hälker
Bild rechts oben: Hoshiyar beim talentCAMPus im Sommer 2018, © Jutta Derleth
Bild rechts unten: Hoshiyar beim talentCAMPus im Frühjahr 2022, © Angela Theisen
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